A-4.4.2           Steckbriefe

A-4.4.2.1             Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus)

A-4.4.2.1.1          Gefährdung und Schutz

Die Zwergfledermaus ist in Niedersachsen (Heckenroth et al. 1993) der Gefährdungskategorie 3 („gefährdet“) zugeordnet.

A-4.4.2.1.2          Lebensraum

P. pipistrellus ist ein Biotopkomplexbewohner mit sowohl täglichem als auch saisonalem Biotopwechsel. Die Hauptlebensräume liegen im Siedlungsbereich und seinem direkten Umfeld. Die räumliche Lage der Sommerquartiere sind bei P. pipistrellus laut Speakman et al. (1991, zit. in Nagel & Häussler 2003) sehr variabel. Die Winterquartiere befinden sich meist in Gebäuden mit Quartieren ähnlicher Eigenschaften wie großen Kirchen, Mauerspalten und Kellern. Ihr Winterschlaf ist leichter und öfter unterbrochen als bei allen übrigen Fledermausarten (Nagel & Häussler 2003). P. pipistrellus wird als sehr kälte­resistente Fledermaus beschrieben, die Frosttemperaturen bis –5°C übersteht und auch bei relativ geringen Temperaturen flugaktiv ist (ebd.).

P. pipistrellus jagt über Teichen, in Wäldern, an Waldrändern, in Gärten und um Laternen. Auf der Jagd werden i.d.R. bestimmte Flugbahnen, meist entlang von Landmarken, eingehalten (Schober & Grimmberger 1998). Nach Erkenntnissen von Verboom (1998) liegen die Jagdhabitate von P. pipistrellus ausschließlich entlang linearer Land­schafts­elemente.

A-4.4.2.1.3          Anforderung an Biotopverbund

Auf den täglichen Biotopwechseln der Zwergfledermaus zwischen Quartier und den Jagdhabitat legt die Art Entfernungen von 1-2 km (Schober & Grimmberger 1998) bis maximale 5 km zurück (Verboom 1998). Die Zwergfledermaus folgt dabei traditionell festen Flugrouten beim Biotopwechsel. Anforderungen an die strukturelle Qualität der Flugrouten formulieren verschiedene Autoren. Nach Verboom (1998) zeigt die Art eine hohe Präferenz für Wanderungen entlang von linearen Landschafts­elementen wie Hecken, Alleen und Waldrändern im Vergleich zum Aufenthalt in Freiräumen. Darüber hinaus besitzt die Art die Fähigkeit, naheliegende lineare Strukturen über Zwischenräume von 110-170 m Entfernung ohne schwerwiegende Probleme zu erreichen. Die Häufigkeit an Zwergfledermäusen nehme ab, wenn eine Flugroute auf einer Länge zerschnitten werde, die mehr als das Doppelte der Reichweite des Sonars der Fledermaus betrage (Verboom 1998). Diese Grenze ist bei ca. 50 Metern erreicht. Derselbe Autor führt an, dass die Aktivität von Zwergfledermäusen proportional mit der Häufigkeit linearer Strukturen in der jeweiligen Landschaft steigt. An linearen Strukturen, die eine geringere Höhe als 6 m aufweisen, stellte Verboom keine Exemplare fest. Allerdings hat er seine Untersuchung in deutlich windreicheren Niederlande durchgeführt, in Königslutter dürften weit niedrigere Hecken den Anforderungen der Art genügen. Dabei scheint es keine Präferenz für eine besondere Form der linearen Struktur (Hecken und Baumreihen, zweireihige Alleen oder Waldränder) zu geben, solang die Struktur weitgehend geschlossen ist.

Bezüglich der saisonale Wanderungen werden von der Zwergfledermaus zwischen Winter- und Sommer­quartieren Entfernungen von weniger als 20 km bis maximal 50 km angegeben (Schober & Grimmberger 1998). In der Literatur finden sich aber auch Einzelangaben von Strecken bis maximal 770 km (Nagel & Häussler 2003).

A-4.4.2.1.4          Nahrung

Die Jagdinsekten sind meist kleinere Insekten, vor allem Chironomiden, aber auch kleinere Dipteren. Diese kommen verstärkt im Leebereich der Landschaftsstrukturen vor und bieten damit in diesem Bereich ein größeres Nahrungsangebot. Der durch die Strukturen induzierte Windschutz ermöglicht zusätzlich einen effizienteren Flug der Fledermäuse.

A-4.4.2.1.5          Maßnahmen

Tabelle A 4.4-4:    Maßnahmen für die Zwergfledermaus

Ziel

räumlicher Schwerpunkt

Schutz-, Pflege-, und Entwicklungsmaßnahmen

Erhalt und Sicherung von Nahrungsgebieten

Kerngebiete

  • Verzicht auf Biozideinsätze, insbesondere auf Insektizide von denen die Zwergfledermaus in besonderer Weise betroffen ist (Nagel & Häussler 2003)

Entwicklung zusätzlicher Nahrungsgebiete

Kerngebiete

  • Umwandlung der Nadelwälder in naturnahe Laubwälder
  • Verbesserung der Nahrungsgrundlage durch Extensivierung der Nutzung (Anlage von Brachflächen, Extensivierung von Grünland, Pflanzung von Hecken

Schutz und Entwicklung der Quartiere

Kerngebiete

  • Schutz der bestehenden Quartiere in Siedlungen. (Hinweis: Zwergfledermaus ist eine streng geschützte Art i.S. des § 42(1) Nr. 1 und 3 BNatSchG)

Schutz und Pflege linearer Gehölzstrukturen

Korridore

  • Erhalt der bestehenden linearen Gehölzstrukturen, insbesondere in Siedlungsnähe

Entwicklung linearer Gehölzstrukturen

Korridore

  • Schaffung von linearen Gehölzstrukturen als Verbindungselemente zwischen Biotopen. Die Abstände zwischen den einzelnen Fragmenten sollten 50 Metern nicht überschreiten. Pflanzung von Hecken (mindestens 5 m Breite), Gehölzstreifen entlang von Wegen und Gräben oder Obst- und Alleebäumen (lückenloser Stand).

 

A-4.4.2.1.6          Synergieeffekte

Das Vorkommen von Fledermäusen ist ein wichtiger Indikator für die Qualität einer Landschaft. In erster Linie zeigen sie den Anteil an extensiv genutzten Lebensräumen und Verbindungsstrukturen in der Landschaft an, den die Fledermäuse als Biotop­komplex­bewohner benötigen. In dieser Beziehung profitieren mit der Umsetzung der Maßnahmen zum Schutz der Zwergfledermaus weitere, strukturgebundene Arten wie z.B. Kleinvögel, Klein­säuger (Igel, Mauswiesel) und eine Reihe von Fledermaus­arten. Die Zwergfledermaus steht somit stellvertretend für viele Arten, die auf Hecken angewiesen sind[1], so wirkt sich eine möglichst lange (und breite) Hecke vorteilhaft auf das vorkommende Artenspektrum von Laufkäfern aus (Mader & Müller 1984 zit. in Jedicke 1994)

 

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[1]    Blab (1993: 322) gibt für Hainbuchenknicks in Schleswig-Holstein rund 1.500, für Hecken in Süddeutschland ca. 900 Tierarten an.