Die Bewertungskriterien „Natürlichkeit“, „Historische Kontinuität“ und „Vielfalt“ werden wie die Bedeutung für das Landschaftsbild in fünf Stufen bewertet. Der Wertungsrahmen (vgl. Tabelle A 3.2-1) verdeutlicht die Zuordnung der Kriterien und der Gesamtbewertung zu den Wertstufen. Die Einstufung ist relativ zu verstehen und beruht nicht auf quantifizierbaren absoluten Masstäben.
Das Kriterium „Natürlichkeit" bezieht sich allein auf die Wirkung von Landschaft auf den Menschen. Sie ist der Natürlichkeit bzw. Naturnähe im Sinne des Arten- und Biotopschutzes nicht gleichzusetzen, bietet aber eine Orientierung für die Einstufung der Naturwirkung. Natürlich bzw. naturnah wirken Biotoptypen, die vom Menschen nicht beeinflusst oder nur extensiv genutzt werden wie z. B. Laub- und Mischwälder, naturnahe Gewässer, Feuchtgrünland, Gehölzstrukturen (Obstwiesen, Hecken, markante Solitäre (freier Wuchs), Baumgruppen, Feldgehölze) oder unbefestigte Flurwege. Die Einstufung der Natürlichkeit der Biotoptypen im Sinne der Naturwirkung ist der Tabelle A 3.2-3 zu entnehmen.
Die Natürlichkeit kann daher über die Biotoptypen weitgehend abgebildet werden. Hinzu kommen ergänzend weitere Indikatoren, die eine natürliche Dynamik in der Landschaft erkennen lassen wie:
Je höher der Anteil natürlich wirkender Biotoptypen und Strukturen in einer Landschaftsbildeinheit ist, umso höher wird ihre Natürlichkeit bewertet.
Das Kriterium „Historische Kontinuität“ bezieht die Ausprägung der historisch gewachsenen Gestalt der Landschaft in die Bewertung mit ein. Viele der traditionellen Landnutzungsformen haben in der heutigen Zeit ihre wirtschaftliche Bedeutung verloren. Sie sind oftmals auf wenige Reststandorte zurückgedrängt oder haben musealen Charakter wie die Relikte der Heidewirtschaft. Da diese Nutzungsformen jedoch zu Zeiten entstanden sind, in denen sich der Mensch aufgrund seiner eingeschränkten technischen Möglichkeiten noch den standörtlichen Gegebenheiten anpassen musste, sind es gerade diese überkommenen Landnutzungsformen, die den ursprünglichen Landschaftscharakter widerspiegeln.
Neben dem Vorhandensein überlieferter Nutzungsformen und einzelner kultur- oder naturhistorisch bedeutsamer Landschaftselemente ist die harmonische Einbindung neuer Landschaftselemente und Nutzungsweisen in Dimension, Masstäblichkeit und Intensität von Bedeutung. Merkmale für die historische Kontinuität in der Landschaft sind:
Für die Bewertung der historischen Kontinuität ist das Vorhandensein der genannten Merkmale wesentlich, der Flächenanteil ist nachrangig. Das gehäufte Auftreten von Merkmalen möglichst unterschiedlicher Einzelaspekte ist Ausdruck einer für den Raum charakteristischen Landschaftsentwicklung und führt zu einer hohen Bewertung der historischen Kontinuität.
Das Kriterium "Vielfalt" bezieht sich auf die landschaftstypische, standörtliche Vielfalt der gewachsenen Landschaft. Die landschaftliche Vielfalt ist damit eng an die landschaftliche Eigenart der jeweiligen naturräumlichen Einheit gebunden und umfasst die den natürlichen Standortvoraussetzungen und der historisch gewachsenen Landschaftsstruktur entsprechende Vielfalt. Die landschaftliche Vielfalt wird wiedergegeben durch:
Die Vielfalt wird anhand der Zahl der in der Landschaftsbildeinheit ausgeprägten Vielfalts-Merkmale bewertet, jedoch nicht absolut, sondern immer in Bezug zur gewachsenen Landschaftsstruktur. Es geht also um die Bewertung der landschaftlichen Vielfalt bzw. des für den Naturraum / die Naturräumliche Einheit charakteristischen Gefüges der Strukturmerkmale.
Tabelle A 3.2-1: Kriterienrahmen zur Bewertung des Landschaftsbildes
Wert-stufen |
„Natürlichkeit“ |
Historische |
Vielfalt |
Landschaftsbildeinheit mit sehr hoher Bedeutung |
Die Landschaftsbildeinheit weist einen sehr hohen Anteil natürlich wirkender Biotoptypen auf (z.B. sehr hohe Waldanteile mit standorttypischen Arten). Sie bietet sehr günstige Voraussetzungen für die Erlebbarkeit von wildlebenden Tier- und Pflanzenarten, typischen Geräuschen und Gerüchen sowie von Ruhe.
|
Die für den Raum charakteristische, historische Landschaftsentwicklung spiegelt sich im Landschaftsbild durchgängig wider. überlieferte Landnutzungs-, Bau- und Siedlungsformen prägen die Landschaftsbildeinheit. Die historisch gewachsene Dimension und Masstäblichkeit ist im sehr hohen Maße gewahrt. Die Erlebbarkeit zahlreicher kulturhistorisch bedeutsamer Landschaftselemente, darunter solche mit hohem Identifikationswert und Symbolgehalt ist gegeben. |
Die Ausstattung der Landschaftsbildeinheit entspricht in besonderem Maße der landschaftstypischen Vielfalt, d.h. sowohl der natürliche als kulturhistorisch gewachsene Formenschatz ist in einem für den Landschaftsraum charakteristischen Gefüge erhalten. |
Landschaftsbildeinheit mit hoher Bedeutung |
Die Landschaftsbildeinheit weist einen hohen Anteil natürlich wirkender Biotoptypen auf (z.B. abwechslungsreiche Grünlandniederungen, hoher Waldanteil). Sie bietet günstige Voraussetzungen für die Erlebbarkeit von wildlebenden Tier- und Pflanzenarten, typischen Geräuschen und Gerüchen sowie von Ruhe. |
Die für den Raum charakteristische, historische Landschaftsentwicklung spiegelt sich im Landschaftsbild erkennbar wider. überlieferte Landnutzungs-, Bau- und Siedlungsformen prägen die Landschaftsbildeinheit auf dem überwiegenden Teil der Fläche. Die historisch gewachsene Dimension und Maßstäblichkeit ist im hohen Maße gewahrt. |
Die Ausstattung der Landschaftsbildeinheit entspricht im wesentlichen bzw. in weiten Teilen der landschaftstypischen Vielfalt, der naturräumlichen Zuordnung und der gewachsenen Landschaftsstruktur. Geringe Standortnivellierung. |
Landschaftsbildeinheit mit mittlerer Bedeutung |
Die Landschaftsbildeinheit weist einen mittleren Anteil natürlich wirkender Biotoptypen auf (z.B. stark gegliederte Agrarlandschaft mit hohen Grünlandanteilen, Gebüschen, kleinen Waldbereichen, Forste mit nicht standortheimischen Arten). Sie bietet zeitweise und/oder nur in Teilbereichen Voraussetzungen für die Erlebbarkeit von wildlebenden Tier- und Pflanzenarten, typischen Geräuschen und Gerüchen sowie von Ruhe. |
Die für den Raum charakteristische, historische Landschaftsentwicklung ist im Landschaftsbild bedingt erkennbar. überlieferte und in Ausdehnung begriffene ubiquitäre Landnutzungs-, Bau- und Siedlungsformen stehen im Spannungsverhältnis zueinander. |
Die Ausstattung der Landschaftsbildeinheit entspricht nur teilweise der landschaftstypischen Vielfalt, der naturräumlichen Zuordnung und der gewachsenen Landschaftsstruktur. Stellenweise bewirkt das Fehlen von landschaftstypischen Strukturelementen einen monotonen Landschaftseindruck. |
Landschaftsbildeinheit geringer Bedeutung |
Die Landschaftsbildeinheit weist einen geringen Anteil natürlich wirkender Biotoptypen auf (z.B. wenig gegliederte Ackerlandschaft). Natürlich wirkende Landschaftselemente kommen nur kleinflächig und/oder in geringer Anzahl vor (Einzelbäume, Heckenreste). Die Landschaftsbildeinheit bietet nur wenige Anhaltspunkte für das Erleben von wildlebenden Tier- und Pflanzenarten, typischen Geräuschen und Gerüchen sowie von Ruhe. |
Die für den Raum charakteristische, historische Landschaftsentwicklung ist im Landschaftsbild kaum noch erkennbar, da die gewachsene Grundstruktur der Landschaft durch ubiquitäre Landnutzungs-, Bau- und Siedlungsformen auf dem überwiegenden Teil der Landschaftsbildeinheit überprägt wurde. |
Die Ausstattung der Landschaftsbildeinheit entspricht kaum noch der landschaftstypischen Vielfalt. Die großflächige, einheitliche Nutzungsstruktur, die starke Verarmung an landschaftstypischen Strukturelementen und die weitgehende Nivellierung der natürlichen Standortunterschiede bewirken in weiten Teilen einen monotonen Landschaftseindruck. |
Landschaftsbildeinheit sehr geringer Bedeutung |
Die Landschaftsbildeinheit weist einen sehr geringen Anteil natürlich wirkender Biotoptypen auf (z.B. weitgehend ausgeräumte Ackerlandschaft). Die Landschaftsbildeinheit bietet nur sehr wenige Anhaltspunkte für das Erleben von wildlebenden Tier- und Pflanzenarten, typischen Geräuschen und Gerüchen sowie von Ruhe. |
Die für den Raum charakteristische, historische Landschaftsentwicklung ist im Landschaftsbild nicht mehr erkennbar, da die gewachsene Grundstruktur der Landschaft durch ubiquitäre Landnutzungs-, Bau- und Siedlungsformen auf dem überwiegenden Teil der Landschaftsbildeinheit vollständig überprägt wurde. |
Die Ausstattung der Landschaftsbildeinheit entspricht nicht der landschaftstypischen Vielfalt. Es handelt sich um eine gleichförmige Wirtschaftslandschaft ohne landschaftstypische Strukturelemente. Natürliche Standortunterschiede und naturräumliche übergänge sind nivelliert und/oder nicht mehr erkennbar. |
Tabelle A 3.2-2: Kriterienrahmen zur Bewertung des Ortsbildes
WERTSTUFEN |
„NATüRLICHKEIT“ |
HISTORISCHE KONTINUITäT |
VIELFALT |
Landschaftsbildeinheit sehr hoher Bedeutung |
Eigenentwicklung der Landschaft: sehr hoher Anteil natürlich wirkender Lebensgemeinschaften d.h. u.a. standortgerechter Bäumen & Parks (charakteristische Biotoptypen z.B.: HO, PAL, PAW [1] ); harmonische Einbindung der Siedlungsränder in der umgebenden Landschaft (Bsp. durch Obstwiesen, Gärten und Parks); Kulturfolgende Tier- und Pflanzenarten in natürlicher Dichte im sehr hohen Maße erlebbar |
Erlebbarkeit historischer Kulturlandschaftselemente: traditionelle Bau-, Siedlungs-, und Nutzungsformen (Relikte historischer Nutzungs- und Siedlungsformen) prägen den Siedlungsbereich; Historisch gewachsene Dimension im sehr hohen Maße gewahrt; sehr große Harmonie der Landschaftsgestalt; (Bsp: sehr gut erhaltenes Rundlingsdorf, Hist. Ortsteile mit Baudenkmälern) |
Siedlungstypische Vielfalt im sehr hohen Maße erhalten und erlebbar; Keine Standortnivellierung; Vielfalt der naturraum- und standorttypischen Arten im sehr hohen Maße erhalten und erlebbar |
Landschaftsbildeinheit hoher Bedeutung |
Eigenentwicklung der Landschaft: hoher Anteil standortgerechter Bäume & Parks (charakteristische Biotoptypen z.B.: ODL, PAI, PHG, PZR); überwiegend harmonische Einbindung der Siedlungsränder in der umgebenden Landschaft; Kulturfolgende Tier- und Pflanzenarten in natürlicher Dichte im hohen Maße erlebbar |
Erlebbarkeit historischer Kulturlandschaftselemente: traditionelle Formen prägen zum großen Teil den Siedlungsbereich; Historisch gewachsene Dimension im hohen Maße gewahrt; große Harmonie der Landschaftsgestalt; (Bsp: Rundlingsdorf, Hist. Ortsteile) |
Siedlungstypische Vielfalt im hohen Maße erhalten und erlebbar; Geringe Standortnivellierung; Vielfalt der naturraum- und standorttypischen Arten im hohen Maße erhalten und erlebbar |
Landschaftsbildeinheit mittlerer Bedeutung |
Eigenentwicklung der Landschaft: mäßiger Anteil standortgerechter Bäume (charakteristische Biotoptypen: ODS; OVB, OEL; PHO, PKR); lückige Einbindung der Siedlungsränder in der umgebenden Landschaft; Kulturfolgende Tier- und Pflanzenarten in natürlicher Dichte im mäßigen Maße erlebbar |
Erlebbarkeit historischer Kulturlandschaftselemente: traditionelle Formen sind nur bedingt erkennbar auf Grund der Ausdehnung von ubiquitären Formen (Verhältnis 1:1); Historisch gewachsene Dimension in Teilen gewahrt; mäßige Harmonie der Landschaftsgestalt; (Bsp.: Haufendorf, Ortsteile aus Vorkriegszeiten) |
Siedlungstypische Vielfalt erhalten und erlebbar. Mittlere Standortnivellierung; Vielfalt der naturraum- und standorttypischen Arten mäßig erhalten und erlebbar |
Landschaftsbildeinheit geringer Bedeutung |
Eigenentwicklung der Landschaft: geringer Anteil standortgerechter Bäume (charakteristische Biotoptypen z.B.: ODS, OED, PKA, PZA); Keine Einbindung der Siedlungsränder in der umgebenden Landschaft; Kulturfolgende Tier- und Pflanzenarten in natürlicher Dichte im geringen Maße erlebbar |
Erlebbarkeit historischer Kulturlandschaftselemente: traditionelle Formen sind kaum noch nachvollziehbar auf Grund das überwiegen von ubiquitären Formen; Historisch gewachsene Dimension im geringen Maße gewahrt; geringe Harmonie der Landschaftsgestalt (Bsp: Nachkriegssiedlungen, Verstädterte und neue Ortsteile) |
Siedlungstypische Vielfalt nur im geringen Maße erhalten und erlebbar; Umfangreiche Standortnivellierung; Vielfalt der naturraum- und standorttypischen Arten im geringen Maße erhalten und erlebbar |
Landschaftsbildeinheit sehr gering Bedeutung |
Eigenentwicklung der Landschaft: sehr geringer Anteil standortgerechter Bäume (charakteristische Biotoptypen z.B.: OGG, OGI, OVP); kahle und nicht eingebundene Ortsränder; Kulturfolgende Tier- und Pflanzenarten in natürlicher Dichte im sehr geringen Maße erlebbar |
Erlebbarkeit historischer Kulturlandschaftselemente: traditionelle Formen sind nicht mehr nachvollziehbar, da sie durch ubiquitären Formen vollständig überprägt sind); Historisch gewachsene Dimension in sehr geringen Maße gewahrt; sehr geringe Harmonie der Landschaftsgestalt; (Bsp: Industrie- und Gewerbegebiete) |
Siedlungstypische Vielfalt im sehr geringen Maße erhalten und erlebbar. Sehr umfangreiche Standortnivellierung; Vielfalt der naturraum- und standorttypischen Arten im sehr geringen Maße erhalten und erlebbar |
[1] Die Bedeutung der Abkürzungen lassen sich der Legende von Karte 1 „Arten und Biotope“ entnehmen.